Gebäudeautomation sorgt für Energieeffizienz im Humboldt Forum
Im neu errichteten Humboldt Forum auf der Spreeinsel in Berlin können durch die Installation einer intelligenten Gebäudeautomation nicht nur die ausgestellten Kultur- und Kunstgegenstände aus aller Welt konservatorisch erhalten werden. Auch der nachhaltige und energieeffiziente Betrieb des multivalenten Heiz- und Kühlsystems mit Hoch- und Niedertemperaturnetzen gelingt über die installierte Mess-Steuer-Regel- und Leittechnik (MSR) von Kieback&Peter. Außerdem sorgt das Entrauchungssystem mit SIL2-zertifizierten ASi-Reglern für mehr Sicherheit beim Brandschutz.
In Punkto Raumlufttechnik (RLT) liegt in Museen das Hauptaugenmerk auf den Exponaten, nicht wie in Wohngebäuden sonst vorrangig auf dem Wohlbefinden des Menschen. Der RLT kommt hierbei eine konservatorische Funktion zu, bei der v.a. Parameter wie Licht, Temperatur, relative Luftfeuchte, Temperatur- oder Feuchtewechsel, aber auch geringe Luftturbulenzen eine Rolle spielen. Da eine möglichst hohe Konstanz der Parameter entscheidend ist, ist eine Gebäudeautomation zur Steuerung und Überwachung der RLT-Anlagen maßgeblich.
Und auch in Bezug auf den Klimaschutz und die Wärmewende sind Gebäudedigitalisierungen kurz- wie auch langfristig ein adäquates Mittel der Wahl: Laut Bitkom-Studie können bis zu 14,7 Mio. t CO2-Emissionen bis 2030 durch den Einsatz von Gebäudeautomation eingespart werden – v.a. durch die effizientere Bereitstellung von Heizung und Warmwasser. Da der Gebäudesektor mit 112 Tonnen CO2 weiterhin seine vorgegebenen Klimaziele verfehlt, ist auch in diesem Bereich dringend Handlungsbedarf gegeben.
40.000 m² für Exponate aller Art
Das ehemalige Berliner Schloss ist 1443 erbaut worden und zählte nach einem Umbau im 18. Jahrhundert zu den wichtigsten barocken Profanbauten nördlich der Alpen. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2021 vereinen sich in der Neuinterpretation des 1945 zerstörten und 1950 gesprengten Berliner Schlosses, das aus der Feder des italienischen Architekten Franco Stella stammt, Wissenschaft, Kultur, Kunst und Bildung. Das Museumsgebäude mit mehr als 40.000 Quadratmetern Nutzfläche ist in acht Jahren Bauzeit und mit einem Kostenaufwand von rund 682 Mio. Euro entstanden. Mehr als 20.000 ausgestellte Exponate, darunter Kunst-, Wissenschafts- und Kulturschätze aus aller Welt können hier besichtigt werden. Die wechselnden und dauerhaften Ausstellungen des Ethnologischen Museums, des Museums für Asiatische Kunst sowie die Präsentationen zur Geschichte des Ortes selbst und die Ausstellungen “Berlin Global“ und „Nach der Natur“ organisieren gleich vier Träger: die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin, das Stadtmuseum Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss.
Ökonomisch, konservatorisch und nachhaltig durch smarte MSR
Um die technische Gebäudeausrüstung klimaschonend, wirtschaftlich und konservatorisch zu betreiben, ist der Einsatz einer intelligenten Gebäudeautomation unabdingbar. Die Spezialisten von Kieback&Peter, einem der international erfahrensten Anbieter von digitalen Automations-Technologien für nachhaltig smart-vernetzte Gebäude, haben in knapp 4,5 Jahren eine speziell angepasste Mess-Steuer-Regel- und Leittechnik (MSR) im Humboldt Forum installiert, die sämtliche Anforderungen erfüllt. Entsprechend wurde das Museum insgesamt mit 70 Automationsstationen DDC4000 (Direct Digital Controll) und 285 Schaltschrankfeldern an insgesamt 46 Automationsschwerpunkten (ASP) sowie jeweils 15.000 physikalischen und kommunikativen Datenpunkten versehen.
Eine technische Gebäudebewirtschaftung bei einem öffentlich zugänglichen Bau mit 96.000 m² Bruttogeschossfläche, auf denen wertvolle Objekte ausgestellt werden, die diverse Raumklimaanforderungen haben, muss entsprechend konzipiert sein. Bei der Planung solcher RLT-Anlagen ist außerdem zu beachten, dass in festen Ausstellungen das Raumklima sehr exakt auf die Exponate ausgerichtet werden kann, während für Wechselausstellungen häufig eigene Klimakonzepte je nach Raumkonstellation entwickelt werden sollten.
Diversität der Objektanforderungen
Insbesondere organische Materialien sind bei Ihrer Erhaltung auf eine Umgebung mit möglichst konstanter Raumtemperatur und -feuchte angewiesen. Aus unterschiedlichen Klimazonen und Zeitaltern stammend, können die benötigten konservatorischen Werte jedoch divers ausfallen. So benötigen beispielsweise die Wandgemälde der Kizil-Höhle aus dem 6.-7. Jahrhundert (Xinjiang China) andere Raumwerte als die Township Wall von António Ole von 2001/2018. Einer der wichtigsten Parameter ist dabei die relative Luftfeuchte. Während der Öffnungszeiten, wenn viele Besucher da sind, muss die Luft entfeuchtet und damit gekühlt werden. U.a. daher ist die Kälte- und Wärmeleistung, die im Humboldt Forum benötigt wird, so hoch wie die für 1.500 bis 2.000 Einfamilienhäuser – und das, obwohl das Gebäude durch eine gute Dämmleistung von Fenster und Wänden die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV/2009) um mehr als 30 Prozent unterschreitet.
Auch die Luftgeschwindigkeiten gilt es, zu beachten. Der ideale Wert liegt etwa bei 10 % der Behaglichkeitsgrenze nach allgemeingültigen Richtlinien. Um unterschiedliche klimatische Zustände an den Ausstellungsobjekten zu vermeiden, muss eine konstante Temperatur und Luftfeuchte über die gesamte Raumhöhe gegeben sein. Daher kann die Luftmenge auch nicht beliebig weit herabgesetzt werden, sondern sollte für den Austausch von internen Lasten wie Staub- und CO2-Belastung durch Besucher sorgen.
Die drei Ebenen der Gebäudeautomation
Zur Erhaltung der konservatorischen Werte wird die Luft der Ausstellungsbereiche in mehreren thermodynamischen Behandlungsstufen bedarfsweise entfeuchtet und gekühlt bzw. befeuchtet und erwärmt. Jeder Ausstellungsbereich des Humboldt Forums erhielt seine eigene Lüftungsanlage, insgesamt 41 Vollklimaanlagen (RLT), die über die Gebäudeautomation geregelt werden. Die Gebäudedigitalisierung funktioniert hierbei über ein Drei-Ebenen-System:
Managementebene
Die an den ASPs installierten DDCs werden informationstechnisch im Hochleistungs-BMS (Building Management System) von Kieback&Peter zusammengeführt. Die Software GLT-SW5000N ist ebenso für die Bedienung und Beobachtung der Prozesse zuständig, wie auch für die Alarmierung im Störfall und Fehlerbehebung. Sie sammelt, visualisiert und wertet die gesamten Informationen, die sie von den DDCs erhält, aus und macht sie durch ihre Multiuser- und Multitaskfähigkeit in Echtzeit bedienbar – u.a. über mobile Endgeräte im gesamten Gebäude. Zudem können sowohl die Vollklimaanlagen der Ausstellungsbereiche als auch die Teilklimaanlagen in den Konferenz-, Sozial- und Nebenräumen zeitlich über das BMS gesteuert werden.
Automationsebene
Aufgrund der Vorgaben der Managementebene regeln die DDC4000 den Gebäudebetrieb. Maßgeblich sind dabei die Daten, die in der Feldebene gesammelt werden. Die DDCs kommunizieren über das Bussystem BACnet und sind durch einen Touchscreen manuell und intuitiv bedienbar. Die auf den Museumsbetrieb individuell angepassten Steuerungs-, Optimierungs- und Überwachungsfunktionen bzw. Regel- und Optimierungs-Algorithmen der DDCs sorgen neben hohen Synergieeffekten auch für einen klimaschonenden und energieeffizienten Betrieb der Gebäudetechnikanlagen und somit für eine CO2-Emissionsreduktion. Sie regeln nicht nur die Raumfeuchte und -temperatur, sondern auch entsprechend der CO2-Werte der Sensoren den Außenluftanteil über die RLT-Anlage.
Feldebene
Die Ist-Werte der verschiedenen Räume und Bereiche werden über Sensoren, wie z.B. Feuchte,- CO2- oder Temperatur-Fühler, gemessen. Die Daten gehen dann weiter an die DDCs, die wiederum ihrerseits die Befehle entsprechend der Regelabweichung von den vorgegebenen Raumwerten an die Aktoren (beispielsweise Lüftungs- und Absperrklappen, Ventile) ausgeben. Auf diese Weise kann die Zuluft individuell über die Heiz- und Kühlregister der RLT-Anlage erwärmt oder abgekühlt und entfeuchtet werden. Die Befeuchtung übernehmen externe Befeuchter.
Multivalentes Heiz- und Kühlkonzept im Humboldt Forum
Ein Fernwärmeanschluss sorgt im neuen Museumsbau auf der Spreeinsel v.a. für die Versorgung des Hochtemperaturnetzes (Vorlauftemperatur rund 60°C) für Trinkwarmwasser und Heizung. Das Niedertemperaturnetz, das mit etwa 45°C u.a. die Fußbodenheizung bedient, speist sich aus der nachhaltigen Geothermie-Lösung mit 111 Sonden, die rund 100 Meter tief in der Erde die Abwärme der beiden Wärmepumpen im Sommer einspeichert, um sie im Winter verwenden zu können. Die Heizregister der Vollklimaanlagen sowie nachgeschaltete Konvektoren übernehmen die konservatorische Temperatur- und Feuchteregelung in den Ausstellungsräumen.
Gleich zwei komplexe Kältenetze garantieren im Humboldt Forum die energieeffiziente Erhaltung der Ausstellungsstücke. Versorgt werden sie durch sechs Kälteerzeuger: Primär übernehmen die beiden Wärmepumpen die Kälteerzeugung. Zusätzlich können insbesondere im Sommer zur Sicherung der Kühllast die Kälteverdichtermaschinen (zwei pro Netz) hinzugeschaltet werden. Während das Hochtemperaturnetz (15/21°C) die Kühlung der RLT-Anlagen (Büroräume und Konvektoren zur Nachtemperierung) sowie die Bauteilaktivierung übernimmt, dient das Niedertemperaturnetz (5/11°C) der Entfeuchtung des Gebäudes und der Kühlung der Serverräume u. Ä. Ein Eisspeicher, der durch die Kältemaschinen beladen wird, kann zur Lastspitzabdeckung zu Hitzepeak-Zeiten abgetaut werden. Ökonomisch wie auch nachhaltig: Zusätzlich kommt das Prinzip der „Freien Kühlung“ zum Einsatz. Es nutzt die Umgebungsluft je nach Außentemperatur im Hoch- wie auch Niedertemperatursektor zur Wasserkühlung.
Digitaler Brandschutz: Entrauchung nach SIL2
Zur Erhaltung von Ausstellungsobjekten, aber auch besonders zum Schutz von Angestellten und Besuchern – in den ersten 365 Tagen kamen rund 1,5 Millionen Gäste ins Humboldt Forum – gehört vor allem der Brandschutz. Gerade in öffentlichen Gebäuden, die häufig mit großen Empfangshallen und Atrien gebaut werden, sind digitale Entrauchungssysteme zunehmend von Bedeutung. Eine offene und großzügige Bauweise birgt in Punkto Rauchgasentwicklung bestimmte Risiken. Der größte Anteil an Todesfällen und eine Vielzahl an Sachschäden bei Gebäudebränden sind auf aggressiven und toxischen Rauch zurückzuführen. Daher gilt es, neben einer frühestmöglichen Branderkennung, der Entrauchung sowie der Brandfallsteuerung einen hohen Stellenwert beizumessen.
Für das Humboldt Forum wurde ein detailliertes Brandschutzkonzept ausgearbeitet. Dabei gibt die Brandfallmatrix genau vor, wie die einzelnen Entrauchungsbereiche, für die speziell sechs ASPs eingerichtet wurden, definiert sind und wie die Steuerung der Brandschutzklappen und Entlüftungsgeräte ablaufen muss. Teile des Entrauchungssystems haben die Ingenieure von Kieback&Peter installiert, unter anderem ein lebensrettendes Tool: Das Entrauchungstableau von Kieback&Peter ermöglicht den Verantwortlichen der Feuerwehr, im Brandfall jeden Entrauchungsbereich einzeln und manuell anzusteuern.
Im Humboldt Forum ist eine sicherheitsrelevante Vorgabe, dass die Entrauchungsklappen mit SIL2-zertifizierten ASi-Controllern verbunden sind. SIL (safety integrity level), also die Sicherheits-Anforderungsstufe gibt die sicherheitsgerichteten Konstruktionsprinzipien an, die zur Risikominimierung einer Fehlfunktion eingehalten werden müssen. Um die Kommunikation zwischen ASi-Reglern, die über das Modbus-Protokoll Daten weitergeben, und DDCs, die über BACnet kommunizieren, zu ermöglichen, haben die Experten von Kieback&Peter ein „Übersetzungs“-Programm im Gateway geschrieben. Wenn im Humboldt Forum ein Feuer ausbricht, meldet die Brandmeldezentrale (BMZ) dies und gibt die Informationen an die ASi-Regler weiter. Diese wiederum steuern die Entrauchungsklappen und Entrauchungslüfter an. Die DDCs schalten die betroffenen Klima- und Lüftungsgeräte ab und schließen die Brandschutzklappen der betroffenen Sektionen. Um die Entrauchungskette so sicher wie möglich zu machen, wurde das Entrauchungssystem unabhängig vom Lüftungssystem geplant. Damit sich Feuer und toxischer Rauch nicht ausbreiten können, erhielt das Lüftungssystem der Berliner Kulturinstitution insgesamt 2.300 Brandschutzklappen.
Fazit
Die multivalent betriebene HLK-Anlage garantiert neben Spitzenlastsicherung und Ausfallsicherheit auch den Erhalt der konservatorischen Werte und damit den Schutz der ausgestellten Kunst- und Kulturschätze im Humboldt Forum. Dabei sind die Präzisionsanforderungen mitunter so komplex, dass sie sich nur auf Grundlage einer hochleistungsfähigen Automationslösung störungsfrei realisieren lassen. Die im Humboldt Forum installierte Gebäudeautomation von Kieback&Peter optimiert zudem Energieprozesse und reduziert damit nachhaltig Kosten wie auch CO2-Emissionen. Das digital gesteuerte Entrauchungssystem dient nicht nur der Erhaltung der Kulturgüter, sondern auch dem Gesundheitsschutz von Ausstellern und Besuchern.
Autor: Sebastian Zerwer, Kieback&Peter GmbH & Co.KG. Vertriebsingenieur/ stellv. Leiter der Niederlassung Berlin und Brandenburg