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Künstliche Intelligenz optimiert Aushubverwertung im Tunnelbau

Beim Tunnelbau können pro Stunde über 200 Tonnen Aushub anfallen. Wenn dieser Boden nicht auf der gleichen Baustelle eingesetzt werden kann, landet er häufig auf Deponien. Um eine nachhaltige Verwertung zu ermöglichen, müssen die Eigenschaften des Materials bekannt sein. Die Grundlagen für ein entsprechendes KI-gestütztes System haben die TH Köln und ihre Partner entwickelt.

Das Messsystem besteht unter anderem aus einem Kugelpendel, einem Pflug, Kameras und Beleuchtungsmitteln über dem laufenden Förderband. Foto: TH Köln
Das Messsystem besteht unter anderem aus einem Kugelpendel, einem Pflug, Kameras und Beleuchtungsmitteln über dem laufenden Förderband. Foto: TH Köln

Prof. Dr. Christoph Budach von der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der TH Köln erläutert, dass Aushub aus dem Tunnelbau je nach Charakterisierung vielfältig genutzt werden könne, zum Beispiel als Straßenunterbau oder Betonzuschlagsstoff. Dazu müsse das Material aber noch auf der Baustelle möglichst sortenrein getrennt werden. Um dies überhaupt möglich zu machen, habe das Forschungsteam ein System entworfen, das auf Künstlicher Intelligenz basiere und künftig die für die Sortierung maßgeblichen geotechnischen Paramater in Echtzeit ermitteln solle.

Zu den relevanten Parametern gehören etwa das sogenannte Setzmaß zur Beschreibung der Verarbeitbarkeit bzw. Fließfähigkeit der abgebauten Böden oder die Scherfestigkeit und der Wassergehalt, die Einfluss auf die Standsicherheit einzubauender Böden haben. Dr. Pierre Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr- und Forschungsgebiet Geotechnik und Tunnelbau der TH Köln, ergänzt, dass sich diese Kenngrößen mit den üblichen Methoden im laufenden Betrieb einer Erddruckschildmaschine, einem besonders häufig eingesetzten Typ einer Tunnelbohrmaschine, nicht kontinuierlich oder nur sehr schwer ermitteln ließen. Man habe daher ein Kugelpendel und einen Pflug über dem laufenden Förderband montiert. Es werde dann gemessen, wie stark das vorbeifließende Material die Instrumente bewege, und die Kraftverläufe würden dokumentiert. Diese Kräfte sähen bei sandigem Boden ganz anders aus als bei tonhaltigem.

Verschiedene abgebaute Böden bewirken unterschiedliche Kräfte und Impulse auf die Messinstrumente. Foto: Stuva e.V.
Verschiedene abgebaute Böden bewirken unterschiedliche Kräfte und Impulse auf die Messinstrumente. Foto: Stuva e.V.

Das Ziel des Forschungsprojekts sei es daher gewesen, eine Künstliche Intelligenz zu trainieren, die aus der Krafteinwirkung auf die Messgeräte auf die geotechnischen Eigenschaften des Aushubmaterials schließen könne. Dies wiederum ermögliche es Maschinenführerinnen und Maschinenführern, den Aushub bereits auf dem Förderband zu klassifizieren und eine entsprechende Sortierung einzuleiten.

Erprobt wurde das neue System unter anderem auf einem 50 Meter langen Förderband bei der Herrenknecht AG in Schwanau. Foto: Herrenknecht AG
Erprobt wurde das neue System unter anderem auf einem 50 Meter langen Förderband bei der Herrenknecht AG in Schwanau. Foto: Herrenknecht AG

Tests unter realen Bedingungen

Um eine valide Datenbasis für das Training der Künstlichen Intelligenz zu erhalten, habe das Projektteam zunächst diverse Materialproben auf einem Kreisförderband mit zwei Metern Durchmesser beim Projektpartner der Stuva e.V. in Köln getestet. Um den Verhältnissen auf einer Tunnelbohrmaschine besser gerecht zu werden, habe der Projektpartner Herrenknecht AG ein rund 50 Meter langes Testförderband im Maßstab 1:1 an seinem Hauptsitz in Schwanau, Baden-Württemberg, errichtet. Dort konnten viele verschiedene Proben unter realen Bedingungen untersucht und klassifiziert werden. Zudem seien die im Projekt neu entwickelten Messgeräte in einem realen Einsatz bei einem Tunnelbauprojekt erprobt worden.

Messsystem im Praxiseinsatz auf einer Erddruckschildmaschine. Foto: TH Köln
Messsystem im Praxiseinsatz auf einer Erddruckschildmaschine. Foto: TH Köln

Prof. Dr. Christoph Budach hebt hervor, dass man in dem Projekt sehr gute Grundlagen gelegt habe, um ausgewählte geotechnische Parameter des Ausbruchmaterials und damit das Verwertungspotenzial hinreichend zu bestimmen. Weitere Untersuchungen seien bereits in Planung.

Über das Vorhaben

Das Forschungsprojekt „Rematch – Resource efficient tunnelling based on real-time excavation material characterization“ wurde von 2021 bis 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der französischen Agence nationale de la recherche gefördert. Projektleiter auf deutscher Seite war die Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (Stuva e.V.). Weitere Partner neben der TH Köln waren der Tunnelbohrmaschinenhersteller Herrenknecht AG und auf französischer Seite das Planungs- und Beratungsunternehmen Arcadis und Liris – Labor für Bildverarbeitung und Informationssysteme der Universität Lyon, sowie die assoziierten Partner DB Netz AG, das französische Zentrum für Tunnelstudien Centre d’Études des Tunnels und der öffentliche Bauträger Tunnel Euralpin Lyon-Turin.