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Begann die Globalisierung bereits in der Jungsteinzeit?

Während der Jungsteinzeit in Nordmitteleuropa und Südskandinavien waren Steine wie Feuerstein wichtige Materialien, die über Hunderte von Kilometern gehandelt wurden. Dennoch tauchen in dieser Zeit die ersten Gegenstände aus Kupfer auf, obwohl es keine Hinweise auf eine steinzeitliche Kupfergewinnung im nördlichen Mitteleuropa und Südskandinavien gibt. Woher stammte also das Rohmaterial für die Artefakte? Wie wirkte sich der Kontakt mit neuen Rohstoffen und Technologien auf die Gesellschaften aus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine Studie des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1266 TransformationsDimensionen” der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Sie ist am 10. Mai in der renommierten internationalen Fachzeitschrift PLOS ONE erschienen.

Zwischen 3500 und 3000 v.u.Z. stammt das exotische Kupfer aus den Alpen, den Slowakischen Erzminen sowie Serbien und Bulgarien. In Südskandinavien und Norddeutschland fand während der Jungsteinzeit kein Kupferabbau statt. Bildquelle: C. Reckweg, Uni Kiel
Zwischen 3500 und 3000 v.u.Z. stammt das exotische Kupfer aus den Alpen, den Slowakischen Erzminen sowie Serbien und Bulgarien. In Südskandinavien und Norddeutschland fand während der Jungsteinzeit kein Kupferabbau statt. Bildquelle: C. Reckweg, Uni Kiel

Woher stammte das Kupfer?

Für die Artefakte der frühen Jungsteinzeit im Norden (ca. 4100-3300 v. Chr.) wurde wahrscheinlich Metall aus den Kupfererzlagerstätten Südosteuropas verwendet. Hier kommen insbesondere die serbischen Bergbaugebiete in Betracht. Die wahrscheinlichsten Kupferquellen für die wenigen Artefakte des Mittelneolithikums (ca. 3300-2800 v. Chr.) scheinen aus dem slowakischen Erzgebirge, den serbischen Bergbaugebieten und den Ostalpen zu stammen. Die Artefakte aus dem Spätneolithikum und der Frühbronzezeit (ca. 2300-1700 v. Chr.) stammen vermutlich aus Lagerstätten im slowakischen Erzgebirge und der Alpenregion. Für die Artefakte, die die Forscher auf die Zeit nach 2000 v. Chr. datieren, scheint auch die Mine von Great Orme in Wales eine der Kupferquellen der untersuchten Metalle gewesen zu sein.

Die identifizierten Herkunftsregionen des Rohmaterials der unterschiedlichen Kupferartefakte zeigt die Veränderung und Schwerpunkte der Austauschrouten von Metall zwischen 4000 und 1700 v.u.Z. in Europa. Bildquelle: C. Reckweg, Uni Kiel
Die identifizierten Herkunftsregionen des Rohmaterials der unterschiedlichen Kupferartefakte zeigt die Veränderung und Schwerpunkte der Austauschrouten von Metall zwischen 4000 und 1700 v.u.Z. in Europa. Bildquelle: C. Reckweg, Uni Kiel

Eine Verbindung Südskandinaviens mit frühen Zentren der Kupfermetallurgie im südöstlichen Mitteleuropa wurde bereits in früheren Studien diskutiert. Die Herkunft vieler Kupferartefakte wurde jedoch meist im Alpenraum gesehen. „Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass die bislang vorliegenden Daten als unzuverlässig einzustufen sind“, sagt Dr. Jan Piet Brozio Leiter der Studie. Daher haben die Kieler Projektbeteiligten im Rahmen der Studie insgesamt 45 jungsteinzeitliche Kupferobjekte für neue Bleiisotopenanalysen ausgewählt. „Das ist die bisher größte Stichprobe jungsteinzeitlicher Objekte aus der nordeuropäischen Tiefebene und Südskandinavien“, führt Brozio aus. „Untersucht wurden verschiedene archäologische Artefakte wie Beile, Spiralen und Meißel aus der frühen bis späten Jungsteinzeit sowie der frühen Bronzezeit. Die Methode zur Interpretation der analysierten Daten beruht auf dem Vergleich der Geochemie und der Bleiisotopenverhältnisse archäologischer Artefakte mit den analytischen Daten von Mineralien aus Kupfererzlagerstätten.“

Kupferbeil vom Frömkenberg (Kr. Höxter) im Rasterelektronenmikroskop des Instituts für Materialwissenschaften der CAU. Bildquelle: Christin Szillus, Uni Kiel
Kupferbeil vom Frömkenberg (Kr. Höxter) im Rasterelektronenmikroskop des Instituts für Materialwissenschaften der CAU. Bildquelle: Christin Szillus, Uni Kiel

Kupfernutzung und Wissensaustausch

Die erstmalige Integration der Kupfermetallurgie und die Verwendung von Kupferobjekten in jungsteinzeitlichen Gesellschaften im nördlichen Zentraleuropa und Südskandinavien sind nicht nur als ein rein technologischer Fortschritt zu sehen. Archäologinnen und Archäologen interpretieren diese auch als Teil einer umfassenderen Entwicklung. „Zu diesen Entwicklungen gehörten das Aufkommen neuer Kommunikations- und Austauschnetzwerke sowie Veränderungen in der Subsistenzwirtschaft und neue Technologien wie die Einführung des Hakenpfluges oder von Rad und Wagen“, erläutert Prof. Dr. Johannes Müller, Sprecher des SFB 1266. Denn neben Objekten aus Metall und Jadeit wurde auch Wissen, wie neue Getreidearten und Ideen von Architektur in den Norden transportiert.

Die frühe Etablierung der Kupfermetallurgie war allerdings kein nachhaltiger Prozess, auch wenn es sich nach fachwissenschaftlichem Verständnis um kupferzeitliche Gesellschaften handelt. Denn trotz eines Importbooms haben sich das Metall und das Wissen um seine Verarbeitung in den neolithischen Gesellschaften des vierten Jahrtausends vor unserer Zeit nicht durchgesetzt. Sie wurden vielmehr nahezu bedeutungslos. Erst in der späten Jungsteinzeit und in der Frühbronzezeit integrierten die nordischen Gesellschaften die Kupfermetallurgie so in ihr Wirtschaftssystem, dass diese Gesellschaften einen „Point of no Return“ in Bezug auf die Metallurgie erreichten und zunehmend mehr Metallartefakte als Werkzeuge in der Subsistenzwirtschaft sowie zur Darstellung von Machtstrukturen verwendeten.