Tieftemperaturpumpen im Dienst der Forschung
Die Entscheidung, Tieftemperaturpumpen von Vanzetti Engineering einzusetzen, erfolgte im Laufe des Projekts Aria. Dieses Projekt wird vom Istituto Nazionale di Fisica Nucleare – INFN (deutsch: Nationales Institut für Kernphysik) in Zusammenarbeit mit der Carbosulcis S.p.A., einem Unternehmen, an dem die Region Sardinien beteiligt ist, durchgeführt. Hauptelement des Projekts ist eine kryogene Rektifikationskolonne für die Herstellung angereicherter, hochreiner, stabiler Isotope. In der Kolonne sind Tieftemperaturpumpen Teil des Hilfskreislaufs der Anlage. Dieser Kreislauf besitzt die Aufgabe, flüssigen Stickstoff erneut in die Hauptdestillationseinheit des hochreinen Argons einzuspeisen.
Der Name des Projekts ist Aria. Es beinhaltet die Herstellung einer kryogenen Rektifikationskolonne mit Standort Sardinien, die der Produktion von angereicherten, hochreinen, stabilen Isotopen dient. Das Projekt Aria ist integraler Bestandteil des Experiments DarkSide-20k, das in den Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) (deutsch: Nationale Labore von Gran Sasso) des Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) durchgeführt wird. Das wissenschaftliche Ziel dieses Experiments ist der direkte Nachweis von Dunkler Materie. Die Natur dieser Materie ist bis heute unbekannt. Dennoch macht sie den größten Teil der Materie in unserem Universum aus. Die Menge Dunkler Materie ist fünfmal größer als die Menge der für uns bisher beobachtbaren Materie. Das Erforschen ihrer ist folglich eines der bedeutsamsten Forschungsgebiete der Grundlagenphysik. Das Verstehen von Dunkler Materie würde einen enormen Fortschritt für Untersuchungen darstellen, die die Kosmologie, Physik und Astrophysik aktuell durchführen.
Das Experiment DarkSide-20k wird von der internationalen Wissenschaftskooperation DarkSide durchgeführt, in der mehr als 500 internationale Forscher von Universitäten und Forschungsinstituten tätig sind. Das Experiment nutzt einen Detektor, der als Szintillator flüssiges Argon zur Erkennung der Wechselwirkung von WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles, deutsch: schwach wechselwirkende, massereiche Teilchen) verwendet. WIMPs gehören nach Ansicht einiger Theoretiker zu den Teilchen, die in Bezug auf die Dunkle Materie zu den aussichtsreichsten Kandidaten gehören. Zum Ausführen dieses Experiments sind große Mengen abgereichertes Argon notwendig (ohne das Isotop 39). Im Zusammenhang mit DarkSide wurden zwei Projekte initiiert: Urania und Aria. Das erste Projekt sieht die Konstruktion einer sich gegenwärtig im Bau befindlichen Anlage in Colorado vor. Dort wurde eine unterirdische Quelle sauberen Argons gefunden. Diese ist vor kosmischer Strahlung geschützt und wird daher nicht von ihr kontaminiert. Das Projekt Urania (dessen Schirmherr ebenfalls das INFN ist) fördert abgereichertes Argon und transportiert es nach Sardinien. Dort wird das Argon mithilfe der zu bauenden Rektifikationskolonne des Projekts Aria weiter gefiltert und gereinigt. Abschließend wird das reine Argon für Forschungszwecke in den Detektor DarkSide-20 der Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) gebracht.
Das Projekt Aria
„Der Hauptzweck der Rektifikationskolonne des Projekts Aria ist die Herstellung von Argon für das Experiment Dark Side. Da die Kolonne aber auch stabile Isotopen erzeugen kann (beispielsweise Sauerstoff 18, Kohlenstoff 12, Stickstoff 15 und andere Isotope), besitzt sie auch industriellen und kommerziellen Wert“, erklärt Federico Gabriele, der technische Koordinator des Projekts und ein Forscher des INFN. „Tatsächlich werden stabile Isotope bei vielen Anwendungen eingesetzt. Hierzu zählen beispielsweise die bei der medizinischen Diagnostik verwendete Nuklearmedizin, die biologische Landwirtschaft oder die präzise Mikroelektronik. Derzeit werden diese Substanzen international nur an wenigen Orten und mit unterschiedlichen Methoden hergestellt. Eine dieser Methoden ist beispielsweise die Zentrifugationstechnik, die jedoch viel Energie benötigt. Im Gegensatz dazu nutzt das Projekt Aria die unterschiedliche Flüchtigkeit dieser Substanzen. Das Ziel der Destillation ist die Trennung der Isotope aufgrund ihres Flüchtigkeitskoeffizienten. Durch diesen Vorgang sinken die Produktionskosten erheblich. Unter Berücksichtigung, dass aktuell nur einige Dutzend Kilo dieser Stoffe pro Tag produziert werden und dass dieser Markt schnell wächst, steht die Bedeutung des Projekts und das enorme Potenzial dieser Anlage außer Frage. Sie ist in ihrer Art und Größe selbst für industrielle Verhältnisse weltweit einzigartig.
Das 2015 begonnene Projekt Aria benötigt einen ausgebauten, unterirdischen Schacht, der zum Verankern der ca. 350 Meter hohen Rektifikationskolonne dient. Die Errichtung einer ähnlich großen Stützstruktur an der Oberfläche wäre nicht möglich. Auf diese Weise kam der 350 Meter tiefe Schacht eines Kohlebergwerks in der Provinz Südsardinien ins Gespräch. Dieses Bergwerk wird von der Carbosulcis S.p.A. betrieben, einer Gesellschaft, die Eigentum der Region Sardinien ist.
„Derzeit befindet sich der Prototyp der Anlage im Bau. Ihr Name ist, hergeleitet vom Namen des Bergwerksorts, Seruci 0. Sie ist, verglichen mit der endgültigen Anlage, eine Kolonne im kleinen Maßstab“, erklärt Federico Gabriele. „Anstelle der bei der endgültigen Installation vorgesehenen 28 Zentralmodule besteht diese Kolonne nur aus einem Zentralmodul sowie dem Modul Top und dem Modul Bottom. Außerdem wird die Kolonne oberirdisch und nicht unterirdisch erbaut. Alle für den Kolonnenbetrieb notwendigen Apparate entsprechen denen, die auch bei der endgültigen Rektifikationskolonne – sie bekommt den Namen Seruci 1 – verwendet werden. Nach dem Ende aller Tests und der Errichtung der Stützstrukturen im Schacht wird Seruci 0 abgebaut und am definitiven Standort gemeinsam mit den vom Projekt vorgesehenen 28 Modulen bis zur Gesamthöhe von ca. 350 Metern wieder aufgebaut.“
Tieftemperaturpumpen für Flüssigstickstoff
Das finale Projekt umfasst die Errichtung der Rektifikationskolonne – das Herzstück der Anlage – sowie des Kühlsystems für Flüssigstickstoff. In diesem Hilfskühlkreislauf kommen die Apparate von Vanzetti Engineering zum Einsatz. Zwei Druckerhöhungsanlagen für Flüssigstickstoff dienen dazu, den Flüssigstickstoff vom Kolonnenboden zur Spitze zu befördern. Hierbei handelt es sich um zwei identische Tieftemperatur-Kolbenpumpen der Serie VT-1, von denen eine als Reserve für die andere dient. Kurz umrissen, erfolgt in diesem Prozess ein kontinuierlicher Wärmeaustausch zwischen zwei Tieftemperaturflüssigkeiten. Dieser Austausch verursacht einen natürlichen Übergang der schwereren Argonschichten in der Kolonne. Diese Bewegung hilft, da Verdampfungs- und Kondensationszyklen wiederholt ausgeführt werden, beim außergewöhnlich guten Reinigen des Argons. Ziel dabei ist das Entfernen von unerwünschten Substanzen. Sie könnten andernfalls die Ergebnisse der wissenschaftlichen Experimente zur Dunklen Materie verfälschen.
Die Tieftemperaturpumpen gehören zu den wenigen Anlagenkomponenten, die am Boden des Bergwerksschachts installiert sind. Die Pumpen VT-1 von Vanzetti Engineering wurden nicht nur deshalb erwählt, weil sie eine Förderhöhe von 350 Metern garantieren, sondern auch deshalb, weil sie in geschlossenen Räumen, bei hoher Luftfeuchtigkeit und im Dauerbetrieb (24/24 h) optimal arbeiten.
BOX: Kryogene Systeme für Atmosphärengase
Sauerstoff, Stickstoff und Wasserstoff sind kleine Moleküle, die für das Leben, die Materie und die Energie essenziell sind. Vanzetti Engineering ist ein anerkannter italienischer Lieferant von Tieftemperaturpumpen und -systemen. Viele bedeutende Projekte nutzen sie – nicht nur für Flüssigerdgas (LNG), sondern auch für Atmosphärengas. Angeregt durch die Nachfrage in den Bereichen Gassteuerung, Gasspeicherung und Gasregulierung produziert Vanzetti Engineering verstärkt Pumpen und Pumpensysteme zum Fördern von Tieftemperaturflüssigkeiten. Diese werden bei sehr niedrigen Temperaturen durch Destillieren von Atmosphärengas gewonnen. Sie sind auch als Industriegase oder Atmosphärengase bekannt und in Wahrheit Komponenten der normalen Luft: Stickstoff, Sauerstoff, Argon, Kohlendioxid und andere Gase.
Entsprechend den Anforderungen in Bezug auf Durchflussmenge und Druckwerte liefert Vanzetti Engineering sowohl Kolbenpumpen als auch ein- bis mehrstufige Kreiselpumpen, die sich als externe Pumpen oder Tauchpumpen einsetzen lassen. Der Unternehmenssitz von Vanzetti Engineering liegt im Piemont, in der Provinz Cuneo. Das Unternehmen besitzt zahlreiche Kunden in unterschiedlichen Bereichen. Für die Industrie stehen Gaslösungen zur Verfügung, darüber hinaus Produkte für die Aufgaben Wärmebehandlung, Schweißen und Schneiden, Glasbildung, Sauerstoffverbrennung, Wasseraufbereitung, Gefrieren und Kühlen von Lebensmitteln, Verpackung, petrochemische Synthese, Lieferung medizinischen Sauerstoffs, Elektronik, alternative Energien.