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Reinstwasser im Labor: Wie viel Technik steckt in ein paar Tropfen?

Für viele Prozesse in Labor und Industrie ist Reinstwasser nicht einfach nur ein Medium – es ist ein kritischer Faktor für Genauigkeit, Geräteverfügbarkeit und regulatorische Konformität. Wir sprechen mit Christian Ziegler, einem Experten für Reinstwasseraufbereitung und klären, welche technischen Anforderungen heute Standard sind, welche Fehler vermeidbar wären – und wo Potenzial für Innovation liegt.

Christian Ziegler, Dipl.-Wirt.-Ing. (FH), Geschäftsführer, Experte für Digitalisierung & Medizintechnik
Christian Ziegler, Dipl.-Wirt.-Ing. (FH), Geschäftsführer, Experte für Digitalisierung & Medizintechnik

INTERVIEW über Standards, Systeme und Stolperfallen in der Praxis

ingenieurmagazin.com: Viele verbinden Reinstwasser mit „ultrareinem“ Wasser – aber kann Wasser eigentlich zu rein sein? Gibt es technische oder biologische Prozesse, bei denen das sogar kontraproduktiv wäre?

Christian Ziegler: Es kommt wie immer auf die Anwendung an – und die bestimmt, aus welchen Materialien etwa Leitungen oder andere Komponenten einer Anlage bestehen dürfen. So löst Reinstwasser etwa die in den Metallen enthaltenen Ionen bei Leitungen aus Messing oder auch vielen Kunststoffen, weshalb hier entweder auf bestimmte Kunststoffe wie PVDF, PTFE oder hochwertige Edelstähle für extrem reine und aggressive Medien zurückzugreifen ist. Reinstwasser wird in sensiblen Bereichen wie der Medizin angewendet, wo bereits die geringsten Verunreinigungen schädlich sein können. Zu rein gibt es im Laborkontext zunächst einmal nicht, aber die Frage ist, ob eine geringere Reinheit nicht ausreichend wäre und somit den Prozess günstiger abbilden lässt. Wir arbeiten mit Werten unter 0,5 mg/l TOC – einem Wert, der unter die Kategorie des hochgereinigten Wassers fällt. Der TOC gilt dabei als Indikator für die organische Belastung des Wassers. Reinstwasser mit einem so niedrigen TOC-Wert ist weitgehend frei von Verunreinigungen und enthält praktisch keine gelösten Mineralstoffe mehr.

ingenieurmagazin.com: Im Alltag denkt man bei Wasser oft an Kalk, Rost oder Chlor. Welche typischen Verunreinigungen sind im Laborumfeld besonders kritisch – und warum?

Christian Ziegler: Im Laborumfeld, besonders in der analytischen Chemie, Biotechnologie oder Pharmaindustrie, sind andere Verunreinigungen als im Alltagsverständnis relevant. Hier geht es weniger um sichtbare Rückstände wie Kalk oder Rost, sondern um unsichtbare Spurenstoffe, die analytische Ergebnisse verfälschen oder Prozesse stören können.

Typische kritische Verunreinigungen im Laborumfeld sind organische Verbindungen. Diese sind kritisch, weil sie Analysegeräte beeinträchtigen können oder Zellkulturen schädigen. Beispiele: Rückstände von Reinigungsmitteln, Kunststoffausdünstungen, Biomoleküle.

Im Laborumfeld kommt es auch auf Bakterien an. Ein weiterer Aspekt ist die Leitfähigkeit des Wassers. Diese wird durch Salze bzw. allgemein durch Ionen beeinflusst.

ingenieurmagazin.com: Es klingt paradox: Reinstwassersysteme brauchen Wasser, um Wasser zu reinigen. Wie energie- und ressourcenschonend sind moderne Anlagen – und woran erkennt man das?

Christian Ziegler: Moderne Umkehrosmoseanlagen arbeiten heute deutlich effizienter und haben einen deutlich höheren Wirkungsgrad. Bei einer Umkehrosmose wird Wasser unter hohem Druck durch eine semipermeable Membran gepresst, die Schadstoffe zurückhält. Hier können durchaus Werte über 80 Prozent erreicht werden und nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Eingangswassers wird wieder ausgespült. Durch gezielte Vorbehandlung des Wassers, etwa durch Enthärtung,  kann dieser Wirkungsgrad weiter erhöht und die Abwassermenge zusätzlich reduziert werden.  

ingenieurmagazin.com: Die Kombination aus Umkehrosmose, Ionenaustausch, UV und Ultrafiltration ist Stand der Technik. Wo liegen aktuell die Stellschrauben für Effizienzgewinne und Qualitätssteigerung – etwa durch Systemintegration oder Digitalisierung?

Christian Ziegler: Durch bedarfsgesteuerte Überwachung der Filter, Membranen sowie Wasserqualität kann man den Austausch der Komponenten reduzieren. Dies spart nicht nur bares Geld, sondern erhöht auch die Effizienz der gesamten Anlage. Die Überwachung erfolgt beispielsweise über die Messung der Filterlaufzeit: Beim Erreichen eines definierten Zeitintervalls wird eine Meldung im Display angezeigt. Zusätzlich wird die Wasserqualität kontinuierlich mithilfe eines integrierten Leitfähigkeitsensors überwacht. So lassen sich Abweichungen frühzeitig erkennen und notwendige Maßnahmen einleiten, bevor es zu einem Leistungsverlust kommt. Ebenso durch auf den Anwendungsfall konstruierte Membranen lässt sich der Wirkungsgrad erhöhen. Nur wenn Druck, Durchfluss und Membraneigenschaften exakt aufeinander abgestimmt sind, kann die Anlage effizient und ressourcenschonend arbeiten.

ingenieurmagazin.com: Internationale Normen wie ASTM D1193 oder die DIN EN 285 definieren präzise Grenzwerte. Wie unterscheiden sich diese Standards in ihrer praktischen Relevanz – insbesondere im Spannungsfeld zwischen Forschung, Industrie und Medizintechnik?

Christian Ziegler: In der Medizintechnik ist die DIN EN285 die federführende Norm. Wohingegen bei Labor oder Forschungsthemen meist die ASTM D1193 ihre Anwendung findet. In der Industrie kommt es etwas auf die Anwendung an, aber wenn es sich nicht um einen medizinischen Kontext handelt, dann eher die ASTM. Diese hat klar definierte Werte.

ingenieurmagazin.com: Die Diskussion um Nachhaltigkeit macht auch vor der Reinstwassertechnik nicht halt. Welche Technologien – etwa modulare Systeme, intelligente Rezirkulation oder wartungsarme Konzepte – zeigen hier bereits Wirkung?

Christian Ziegler: Die Systeme von Fidica benötigen zur Wartung keinen Field-Service-Techniker. Der Anwender kann die Geräte selbst warten – dies erhöht extrem die Akzeptanz beim Endkunden. Außerdem sind sie so konzipiert, dass sie Platz sparen, weil sie kompaktere Komponenten haben und durch die bedarfsgesteuerte Überwachung auch den Wasserverbrauch reduzieren, wodurch effizientere, ressourcenschonendere und letzlich nachhaltigere Prozesse ermöglicht werden.

ingenieurmagazin.com: Biofilmbildung, TOC-Anstieg und Keimrekontamination gelten als typische Schwachstellen im Betrieb. Wie lassen sich solche Störungen durch Monitoring, Desinfektionsstrategien und Systemdesign systematisch minimieren?

Christian Ziegler: Durch ein entsprechendes Design der Geräte lässt sich der Totraum – also jene Bereiche innerhalb eines medizinischen Geräts, die bei der Reinigung oder Desinfektion schwer zugänglich sind und in denen sich Keime oder Rückstände ansammeln können – fast vollständig eliminieren. Unsere langjährige Erfahrung in der Entwicklung medizinischer Geräte ermöglicht es uns, Geometrien wie Winkel und Blöcke so zu gestalten, dass eine permanente Überströmung gewährleistet ist und dadurch die Ansiedlung von Bakterien signifikant verringert wird. Somit ist es nicht mehr notwendig die medizinischen Geräte zu desinfizieren und spart natürlich auch wertvolle Zeit.

ingenieurmagazin.com: Ein häufig unterschätztes Thema ist die Wechselwirkung von Reinstwasser mit angeschlossenen Analysesystemen. Welche Rolle spielt hier die Qualitätssicherung – sowohl software- als auch hardwareseitig?

Christian Ziegler: Reinstwasser weist aufgrund der nahezu vollständigen Entfernung gelöster Ionen und anderer Verunreinigungen eine hohe chemische Reaktivität auf. Beim Kontakt mit organischen oder anorganischen Materialien, beispielsweise in Dichtungen oder metallischen Komponenten,  kann es Ionen aufnehmen, was zu einer Erhöhung der Leitfähigkeit führt. Um diese Wechselwirkungen frühzeitig zu erkennen, wird die Leitfähigkeit kontinuierlich mithilfe eines Leitfähigkeitsensors überwacht. Ein Anstieg der Leitfähigkeit kann auf einen notwendigen Filterwechsel hinweisen. Die Genauigkeit dieser Überwachung hängt jedoch stark von den angeschlossenen Analysesystemen ab, die sowohl software- als auch hardwareseitig für höchste Qualität sorgen.

ingenieurmagazin.com:Abschließend: Welche Kriterien sind aus Ihrer Sicht entscheidend bei der Auswahl eines Reinstwassersystems – insbesondere in Bezug auf Betriebskosten, Erweiterbarkeit und Validierbarkeit?

Christian Ziegler: Mehrere Faktoren sind entscheidend: Ein anwenderfreundliches, hygienisches Design ohne Toträume ist optimal. Es minimiert Stillstandzeiten, beugt Biofilmbildung vor und ermöglicht eine einfache Wartung. Die Reduzierung von Verbrauchsmaterial und Service-Einsätzen schlägt sich wesentlich auf die Betriebskosten nieder. Moderne Entwicklungsverfahren sorgen zudem dafür, dass bei unseren medizinischen Geräten keine routinemäßige Desinfektion mehr erforderlich ist – das steigert die Prozesssicherheit erheblich. Gleichzeitig lassen sich unsere Geräte beispielsweise problemlos erweitern. So können zusätzliche Geräte, auch mit unterschiedlichen Leistungen, parallel laufen. Nicht zuletzt spielt ebenso die nachhaltige Ressourcennutzung eine wichtige Rolle. Durch eine bedarfsgesteuerte Überwachung wird der Einsatz von Energie, Wasser, Chemikalien und Verbrauchsmaterialien gezielt reduziert. Das spart nicht nur Kosten, sondern schont Umwelt und die eingesetzten Betriebsmittel – und trägt zu effizienteren Arbeitsabläufen bei.


Christian Ziegler, Dipl.-Wirt.-Ing. (FH), Geschäftsführer, Experte für Digitalisierung & Medizintechnik
Christian Ziegler ist seit 2024 Geschäftsführer der Fidica GmbH & Co. KG, einem ISO 13485-zertifizierten Spezialisten für medizinische Kupplungen, Baugruppenmontage und Reinstwassersysteme. Zuvor war er über neun Jahre in verschiedenen Führungsrollen bei SMC Deutschland tätig, zuletzt als Director Sales & Digitization sowie Mitglied der Geschäftsleitung. Dort verantwortete er unter anderem die digitale Transformation, den Aufbau datengetriebener Geschäftsmodelle und die strategische Weiterentwicklung des Vertriebs.