Löschen kann brandgefährlich sein
Brandfall. Nicht nur das Feuer als solches richtet Schaden an. Kontaminiertes Löschwasser, austretende Gefahrstoffe und Reaktionsprodukte gefährden oft die Umwelt. Deshalb müssen Rückhalteanlagen für Löschwasser überall dort installiert werden, wo Gefahrstoffe gelagert werden oder entsprechende Schäden drohen. Einer komplexen rechtlichen Situation stehen zum Glück sichere Anlagenkonzepte gegenüber.
Löschwasser birgt erhebliche Risiken. Das liegt auf der Hand, wenn im Brandfall wassergefährdende Stoffe gemäß AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) beteiligt sind und mit dem Löschwasser in die Umwelt gelangen. Jedoch, das Risikopotenzial geht weit darüber hinaus, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Brandbeispiel eines Großkühlhauses zeigt(1), in dem Butter, Eiscreme, Fleisch und andere Lebensmittel eingelagert waren. Brennbare Dämmstoffe hatten im Brandverlauf eine enorme Wärmeentwicklung zur Folge. Die deshalb verflüssigte Butter und Eiscreme emulgierten im Löschwasser, wurden mit ihm in Gewässer, Kanalisation sowie die Keller benachbarter Wohngebäude eingetragen und erstarrten dort nach dem Abkühlen. Durch Buttersäure kam es zu erheblichen Schäden an den Betonbauteilen der Kanalisation. Butterfett setzte die Kiemen von Fischen zu, verklebte das Gefieder von Vögeln, musste von der Wasseroberfläche abgesaugt, von den Uferbereichen abgetragen und aus betroffenen Kellern entfernt werden. Allein der Umweltschaden belief sich auf 1,5 Mio. €. Das Beispiel wirft die Frage auf, wie es um die Normierung des Löschwasserrückhalts und dessen technische Umsetzung steht – gerade auch wie im skizzierten Beispiel abseits AwSV-regulierter Bereiche.
Diffuses Regelwerk
Neben dem allgemeinen wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG, § 62), wonach bei „Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe im Bereich der gewerblichen Wirtschaft und im Bereich öffentlicher Einrichtungen“ gewährleistet sein muss, „dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist“, ergeben sich maßgebliche Regulierungen aus der AwSV. Dort ist in § 17 als Grundsatzanforderung formuliert, dass „bei einer Störung (…) anfallende Gemische, die ausgetretene wassergefährdende Stoffe enthalten können, zurückgehalten und ordnungsgemäß als Abfall entsorgt oder als Abwasser beseitigt werden“ müssen. Zu den hier adressierten Störungen zählt auch der Brandfall, für den die AwSV in § 20 Rückhaltevorrichtungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt.
Wer jedoch dieser AwSV-Vorgabe gerecht werden will und demzufolge nach den ‚allgemein anerkannten Regeln der Technik‘ für den Bereich der Löschwasserrückhaltung sucht, wird nichts finden. Nirgends sind sie als solche formuliert und somit: Es gibt sie nicht. Aus dieser Not hat der Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Tugend gemacht, für seine Mitgliedsunternehmen einen Leitfaden zur Löschwasserrückhaltung(2) zu verfassen. Eingebunden waren Fachleute sowohl aus Werkfeuerwehren als auch aus dem Gewässerschutz. Der Leitfaden legt dar, „wie zunächst eine Risikobewertung der erforderlichen Maßnahmen zur Rückhaltung von Löschwasser erfolgen sollte, um anschließend das erforderliche Volumen (…) zu ermitteln.“ Dieser zweistufige Prozess berücksichtige die qualitativen und quantitativen Erfordernisse bei der Löschwasserrückhaltung. Umweltrechtlichen Anforderungen entspreche der Leitfaden durch Berücksichtigung der AwSV in ihrer Fassung vom April 2017. Verbindlich gilt diese VCI-Richtlinie zwar nur für Unternehmen der chemischen Industrie. Dennoch kann sie auch für andere Gewerbe- und Industriebereiche wertvolle Anhaltspunkte liefern.
Einen weiteren Zugang zu Umsetzungsstandards bei der Löschwasserrückhaltung bietet der GDV in seiner eingangs zitierten Broschüre „Planung und Einbau von Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen“(1). Sie erläutert differenziert und ausführlich, „wie Gefahrenpotentiale hinsichtlich möglicher Löschwasserschäden identifiziert und durch vorbeugende technische sowie organisatorische Maßnahmen minimiert werden können.“ Daneben haben die Versicherer „Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen“(3) formuliert, die zur Anwendung kommen, wenn Schadenrisiken versichert werden sollen. Auch diese Publikationen sind hilfreich, stellen detaillierte Anleitungen zur Verfügung, sind aber letztlich branchenspezifische Vorgaben der Versicherer und somit keine ‚allgemein anerkannten Regeln der Technik‘.
Alte LöRüRI
Wenig hilfreich sind allerdings die Zuständigkeitsverteilungen. Während die grundsätzliche Entscheidung über die Notwendigkeit einer Löschwasserrückhaltung wasserrechtlich normiert ist und damit in die Zuständigkeit der unteren Wasserbehörden fällt, wird über deren Dimensionierung bei den im Baurecht zuständigen Behörden entschieden. Und die von ihnen herangezogenen Bemessungsfaktoren sind nicht nur zahlreich; auch werden sie – so die Erfahrung – in mitunter variierender Kombination angewendet, was dann in unterschiedlichen Volumenvorgaben bei gleichen Voraussetzungen resultieren kann. Dabei ist es dann letztendlich die in die Jahre gekommene LöRüRl, auf die zurück gegriffen wird. Sie ist eine baurechtliche Vorschrift, die – abgesehen von einigen Ausnahmen – für die Lagerung wassergefährdender Stoffe ab einer bestimmten Mengenschwelle gilt.
In korrekter Vollständigkeit heißt sie ‚Richtlinie zur Bemessung von Löschwasser-Rückhalteanlagen beim Lagern wassergefährdender Stoffe‘(4), gekürzlt auch ganz einfach ‚Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie‘. Sie ist eine untergesetzliche Regelung und sie ist 32 Jahre alt. Ihr Entstehen hatte nicht nur, aber doch sehr maßgeblich, der Baseler Chemiekonzern Sandoz angeschoben. In dessen Anlagen war es 1986 zu einem Großbrand gekommen. Hochgradig kontaminiertes Löschwasser war in großer Menge in den Rhein geflossen und hatte dort zu einem immensen Fischsterben geführt. Neben ähnlich gelagerten Umweltunfällen zu jener Zeit war es am Ende doch die Katastrophe bei Sandoz, die zur Formulierung der LöRüRl und zu deren Verabschiedung im Jahr 1992 geführt hatte. Seither war die LöRüRl ein einziges Mal – nicht inhaltlich sondern nur redaktionell – geändert worden, um sie anlässlich der AwSV-Einführung an diese anzupassen. Die Löschwasser-Rückhalte-Richtlinie ist eine Musterrichtlinie, die von den Bundesländern in deren Bauordnungen integriert und als Teil ihrer technischen Bestimmungen bauaufsichtlich eingeführt wurde. Das erforderliche Volumen einer Löschwasser-Rückhalteanlage ergibt sich nach LöRüRl aus Wassergefährdungsklasse und Lagergröße.
Nur: Die Musterbauordnung des Bundes sieht länderspezifische Regelungen seit 2021 eigentlich nicht mehr vor. Demgemäß wird die LöRüRI in den Bundesländern auch zunehmend zurückgenommen; aktuell gilt sie nur noch in einigen Ländern. Und selbst wenn an einem Industrie- oder Gewerbestandort beim bestimmungsgemäßen Betrieb keine wassergefährdenden Stoffe gemäß AwSV im Spiel sind, die Anlage somit nicht in den Geltungsbereich der LöRüRI fallen würde, können im Brandfall trotzdem wassergefährdende Stoffe durch Löschmittel oder brandbedingte Reaktionsprozesse anfallen. Die Anforderung, sie zurückzuhalten, ergibt sich dann aus allgemeinrechtlichen Vorsorgepflichten. Und bei der Suche nach Umsetzungsregeln schließt sich der Kreis zu den eingangs genannten Veröffentlichungen von VCI und GDV.
Auf Lösungswegen unterwegs
Systeme zur Löschwasserrückhaltung müssen neben den nach AwSV regulierten wassergefährdenden Stoffen auch all jene Medien berücksichtigen, die im Brandfall anfallen, entstehen oder austreten können und möglicherweise wassergefährdende Eigenschaften haben. Insbesondere sind das Lösch-, Berieselungs- und Kühlwasser sowie Verbrennungs- und Reaktionsprodukte, die durch den Brand selbst oder infolge eingesetzter Löschmittel entstehen. Da es sich hier vielfach um unbekannte Stoffe handelt, muss nach dem Sorgfaltsprinzip vom schlechtesten Fall und somit von der größtmöglichen Gefährdung ausgegangen werden.
Ein Partner, der das alles im Blick hat, ist die Mall GmbH aus Donaueschingen. Das Unternehmen produziert und vertreibt Rückhalteeinrichtungen, die mittels allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) im Anwendungsbereich von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Flüssigkeiten (LAU-Anlagen) den Verwendbarkeitsnachweis besitzen. Wegen ihrer so durch definierte Mediengruppen und Beständigkeitslisten ausgewiesenen Eignung, insbesondere auch hinsichtlich einer breitbandigen chemischen Beständigkeit, entsprechen Systeme dieser Art auch den Anforderungen bei der Rückhaltung von Löschwasser. Als abZ-geprüfte Anlagen tragen sie den Nachweis der Standsicherheit, Gebrauchstauglichkeit, Langlebigkeit sowie der Wirkungsweise.
Die Continental Fuel Storage Systems GmbH, eine Tochter der Continental AG, ist ein Unternehmen, das auf die Expertise von Mall zurückgegriffen hat. An ihrem Standort in Alsfeld nahe Aachen produziert Continental Fuel Storage Systems in zwei Industriehallen mit zusammen 8.200 Quadratmetern flexible Kraftstoffbehälter für den Einsatz in Flugzeugen, Hubschraubern, Booten und Fahrzeugen. Für den Fall des Brandes in einer der Produktionshallen benötigte das Unternehmen ein gegen chemische Einwirkungen robustes System zur Löschwasserrückhaltung. Kernelement der Umsetzung ist ein unterirdisch eingebauter Löschwasserauffangbehälter aus Betonfertigteilen. Er stellt 150 Kubikmeter Nutzvolumen zur Verfügung und erhält seinen Zulauf über Bodeneinläufe in den Produktionshallen. Auf diese Weise können im Brandfall austretende wassergefährdende Ausgangsstoffe der Produktion, eventuelle Reaktionsprodukte oder Verbrennungsrückstände sowie Löschschäume sicher aufgefangen und bis zur späteren Entsorgung gespeichert werden.
Etwas komplizierter war die Lage im Fall der Timberpak GmbH, die ihren Standort südlich von Berlin im Hafen von Königs Wusterhausen hat und dort Altholz und Biomasse entsorgt oder rezykliert. Auf dem versiegelten Betriebsgelände werden die Entsorgungsgüter aufbereitet und gelagert – darunter vor allem große Mengen an gehäckseltem Holz. Wegen seiner hohen Selbstentzündlichkeit muss das zerkleinerte Holt regelmäßig gewässert werden. Dadurch, sowie zusätzlich bei Regen, fallen große Mengen verschmutzten Wassers an, für die das Unternehmen ein Entwässerungskonzept benötigte. Gleichzeitig war Vorsorge für den Fall zu treffen, dass es tatsächlich zu einem Brandereignis käme. In dem von Mall für diese Anforderung geplanten, gelieferten und installierten System erfolgt die Flächenentwässerung über Großflächenablaufelemente mit direkter Abscheidung von Grobstoffen. Im Normalbetrieb fließt das Wasser dann über eine Sedimentationsanlage vom Typ ViaSed und anschließend ins Hafenbecken. Im Brandfall lenkt ein vor der Sedimentationsanlage eingebauter Havarieschacht den wesentlich höher belasteten Löschwasserstrom in einen auf 200 Kubikmeter dimensionierten Auffangbehälter um. Der Ablauf ins Gewässer ist damit verhindert; das Löschwasser ist abgefangen und wartet auf seine fachgerechte Entsorgung.
Das Timberpak-Beispiel veranschaulicht eine der beiden grundsätzlichen Ausführungsvarianten der Löschwasserrückhaltung, die das Rückhaltevolumen im Nebenschluss der Flächenentwässerung vorhält. Bei Normalbetrieb entwässert das System – hier über den Zwischenschritt der Sedimentation – ins Hafenbecken. Im Brand- und damit im Havariefall leitet ein Umlenkschacht den Löschwasserstrom ins Rückhaltebecken um. Die andere Bauvariante installiert das Rückhaltevolumen im Hauptschluss der Entwässerung. Die in der Regel zur Kanalisation führende Entwässerungsleitung wird im Brandfall gesperrt und statt dessen das vorgehaltene Speichervolumen aktiviert. Mall kann beide Systemvarianten auf jeden erwartbaren Volumenstrom hin dimensionieren und für unterschiedliche Beständigkeitsanforderungen ausrüsten. So lassen sich Anlagen realisieren, die dem Vorsorgegrundsatz entsprechen, Sicherheit auch für ein Worst-Case-Szenario zu gewährleisten. Zudem erfüllen sie die Anforderungen des formalen Regelwerks ebenso, wie auch jene der branchenspezifischen Umsetzungsrichtlinien. So wird überschaubar, was auf den ersten Blick sehr verworren erscheint.
Quellen
(1) GDV – Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (Hg.): Planung und Einbau von Löschwasser-Rückhalteeinrichtungen, Köln 2013, S. 8
(2) VCI – Verband der Chemischen Industrie e.V.: VCI-Leitfaden Löschwasserrückhaltung, Frankfurt 2017, Download unter www.vci.de
(3) VdS Schadenverhütung GmbH (Hg.): VdS-Richtlinien für Löschwasser-Rückhalteanlagen – Bauteile und Systeme – Anforderungen und Prüfmethoden (VdS 2564), Köln 2004, Download unter www.vds.de
(4) Download z.B. unter www.umweltpakt.bayern.de/download/pdf/LoeRueRl_2022_IZU.pdf
Autor: Tom Kionka