KI bringt keine Wunderlösungen für Energieprobleme, kann aber trotzdem sehr nützlich sein
Die künstliche Intelligenz ist eines der größten Phänomene der Gegenwart. Sie durchdringt unsere Realität und es werden große Hoffnungen in sie gesetzt. Die Energiewirtschaft macht da keine Ausnahme. In dieser Branche, in der wir ständig Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht halten müssen, wollen wir möglichst genau alle erforderlichen Größen vorhersagen können, einschließlich der Preise auf dem Spotmarkt und Innertagesmarkt. Dabei wird dies immer komplizierter.
Der Antritt der erneuerbaren Energiequellen, der Klimawandel, die Dekarbonisierung, die Elektromobilität und die Dezentralisierung der Fertigung – das alles sind Faktoren, die das bisherige System komplizierter werden lassen und Unsicherheiten einbringen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die künstliche Intelligenz zwar kein Wunderheilmittel ist, jedoch zahlreiche Verbesserungen bringen kann. In etlichen Fällen kann ihr Endeffekt in Dutzenden oder Hunderten Millionen Kronen an Kostenersparnissen für den konkreten Marktteilnehmer beziffert werden.
Für Mathematiker eine einfache Aufgabe, für die IK schier unlösbar
Die Verkürzung des Bilanzintervalls auf 15 Minuten beschränkt erheblich die Möglichkeit der Händler, mit einer Position zu arbeiten, denn es ist technisch wesentlich schwieriger, zu größeren Extremen zu gelangen, damit das Ergebnis der Viertelstundenauswertung ein Gleichgewicht entsprechend dem vertraglich vereinbarten Zustand ist. Und für Abweichungen müssen empfindliche Vertragsstrafen gezahlt werden.
In der Praxis wird dies eine Reihe von Änderungen für die Arbeit der Marktteilnehmer und ihrer Systeme bedeuten. Während die Händler bislang den Stundenverbrauch vorhersagten, werden sie nun auf eine viermal kürzere Periode übergehen müssen. Mit einer um vieles größeren Frequenz muss dann selbstverständlich auch die Stromerzeugung vorhergesagt werden, was eine nicht leichte Aufgabe ist ‒ gerade wegen der erwähnten erneuerbaren Energien.
Ebenso ändert sich das Handelsprinzip. Zum Beispiel auf dem Spotmarkt (Day-Ahead-Markt) des tschechischen Strommarktoperators Operátor trhu s elektřinou (OTE), wo man sich jeweils mit dem folgenden Tag befasst, hatten die Teilnehmer bisher die Möglichkeit, 24 Mengen- und Preiswerte anzubieten. Mit einer viertelstündlichen Periode müssen 96 Werte behandelt werden. Damit verbunden ist auch ihre abweichende Eingabe, komplizierter wird ihre Auswertung, etwas anders wird ebenso das Format der Meldungen für die Kommunikation mit dem Strommarktoperator Operátor trhu sein.
Der Übergang auf 15-Minuten-Intervalle muss auch von der Leistung her bewältigt werden, denn ein kürzeres Intervall bedeutet erneut, wesentlich mehr Daten zu verarbeiten. Das Jahresdiagramm zum Beispiel hat dann nicht 8760 Punkte, sondern 35 040 Punkte. Aus diesen Gründen haben wir unsere gesamte Plattform für die Energiewirtschaft und deren einzelne Produkte angepasst. Wir können sagen, dass dies eine Änderung von Grund auf war, bei der uns allerdings das hohe Standardisierungsniveau sowie das Prinzip helfen, um das wir uns bei den Produkten der Lancelot- Familie bemühen: rechtzeitig und in hoher Qualität alle Änderungen auf dem Markt zu reflektieren.
Einsparung von menschlicher Arbeit
Der Umfang der Änderungen, die durch die Verkürzung der Bilanzperiode hervorgerufen wurden, ist wesentlich größer, als es auf den ersten Blick scheint. Dessen wurden wir uns bewusst, als wir für diese Veränderungen in den Rechtsnormen unsere Produkte der Lancelot-Familie vorbereiteten, die auf den Energiehandel gerichtet sind. Das ist zum Beispiel Lancelot FMS, das dem Händler eine Palette an Tools zur Berechnung einer Verbrauchs- und Erzeugungs-Vorhersage seines Portfolios anbietet, oder Lancelot ETRM, als ein System zum Management der Risiken beim Energiehandel. An das 15-Minuten-Intervall müssen sämtliche Komponenten dieser Software so angepasst werden, dass ihre Outputs den neuen Anforderungen entsprechen.
Grundlegende Änderungen mussten auch ihr Visualisierungsteil, alle Tabellen und Diagramme, kurz das Benutzerinterface erfahren, das ein effektives Arbeiten mit dem 15-Minuten-Intervall zu ermöglichen hat. Nur zu Illustrierung: die verbreitetste Darstellung war bisher eine 2D-Tabelle, bei der sich auf der Y-Achse die Tage befinden und auf der X-Achse die Stunden. Diese Tabelle passte früher sehr schön auf den Bildschirm, denn 24 Werte in der Richtung von links nach rechts sind nicht so viel. Aber jetzt werden es viermal so viele Werte sein.
Wenn ein Prozent Millionen Euro bedeutet
Bei Unicorn testen wir, welche Ergebnisse wir unter Einbeziehung künstlicher Intelligenz erreichen können. Dabei arbeiten wir mit unserer Unicorn University und auch mit dem Institut für Informatik der tschechischen Akademie der Wissenschaften zusammen. Bis jetzt erweist sich, dass die KI zum Beispiel die Genauigkeit unserer Verbrauchsvorhersage um ein oder zwei Prozente zu verbessern vermag. Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen, doch für einen Stromhändler ist eine solche Verbesserung von grundsätzlicher Bedeutung. Aufgrund der Vertragsstrafen, die heute für Abweichungen vom Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch verhängt werden, kann sie größeren Marktteilnehmern Dutzende, ja Hunderte Millionen Kronen jährlich einsparen. In diesem Fall gilt also ganz bestimmt, dass jedes Prozent zählt.
Abschließend ist jedoch anzumerken: wie die Vorhersagemodelle auch vervollkommnet werden, und zwar unter steigendem Einsatz der künstlichen Intelligenz, so hängt die Genauigkeit der Vorschau doch von der Qualität der einfließenden Daten ab. Deshalb ist eines der entscheidenden Produkte unserer auf die Energiewirtschaft ausgerichteten Lancelot-Reihe die Software Lancelot Hub, die Daten aus dem gesamten Energiemarkt konzentriert und säubert. Wir bei Unicorn haben das beliebte Motto „Data at the centre”, also „Daten im Mittelpunkt“. Angesichts der Entwicklung in der Energiewirtschaft wird dies immer mehr gelten. Und die künstliche Intelligenz kann uns dabei helfen, diese Daten so effektiv wie möglich zu nutzen.