Interview zum Thema Ingenieurbau mit Holz
Interview mit Helmut Hödl, Geschäftsführer von Rubner Holzbau, zum Thema Ingenieurbau mit Holz. Rubner Holzbau nimmt mit drei Fertigungsbetrieben, über 500 Mitarbeitern eine führende Position im europäischen Ingenieurholzbau ein.
Interview mit Helmut Hödl, Geschäftsführer von Rubner Holzbau, zum Thema Ingenieurbau mit Holz. Rubner Holzbau nimmt mit drei Fertigungsbetrieben, über 500 Mitarbeitern und einer Jahresproduktion von rund 85.000 m³ Sonderbauteilen aus Brettschichtholz und 300.000 m² Dach- und Wandelementen eine klar führende Position im europäischen Ingenieurholzbau ein.
Konstruktionen aus Brettschichtholz, Dach- und Wandelemente, Brettsperrholzelemente, Fassaden aus Holz, Glas und Aluminium sowie komplette Gebäudehüllen inklusive Dacheindeckung, Untersichtsverkleidung und Fassadenausführung stellen ein Portfolio dar, mit dem Rubner Holzbau als Generalanbieter komplexe Holzbaukonstruktionen für verschiedene Nutzungen errichten und dabei einen großen hohen Anteil an Eigenleistung bieten kann.
Rolf Mauer: Genießt der Ingenieurbau mit Holz den Stellenwert, den er verdient?
Helmut Hödl: Immer mehr. Gemessen an Marktanteilen beschäftigen wir uns natürlich eher mit einem Nischenprodukt, das aber über ein hohes Potenzial verfügt. Denn der Ingenieurholzbau präsentiert sich heute mit zahlreichen und beeindruckenden Referenzobjekten als eine ausgereifte Disziplin, die architektonisch anspruchsvolle, nachhaltige und zugleich wirtschaftliche Lösungen bieten kann. Diese Wahrnehmung ist glücklicherweise inzwischen bei Architekten, Planern und Entscheidungsträgern weit verbreitet. Man ist offen gegenüber Holz, da es nicht nur ökologisch, sondern auch leistungsfähig ist. Und dafür sorgen wir seit Jahrzehnten.
Rolf Mauer: Seit wann ist Rubner im Ingenieurholzbau tätig?
Helmut Hödl: Wir haben in der Brettschichtholzproduktion Erfahrung seit den 60er Jahren. Damals war das ein Experimentierfeld auf einem technischen Niveau, wie es heute unvorstellbar ist. Aber der Pioniergeist hat sich bezahlt gemacht, denn wir durchliefen sämtliche Innovationsschritte von der Klebe- und Verbindungstechnik über die Einführung konstruktiv ganz neu durchdachter Bauteile und Werkstoffe bis hin zur Computerisierung von Planung und Produktion. Wir waren von Anfang an dabei und haben die Entwicklung vielfach mit vorangetrieben – ein wertvolles Know-how.
Rolf Mauer: Was waren Meilensteine in der Entwicklung?
Helmut Hödl: Ganz sicher die präzise CNC-Bearbeitung, mit der auch anspruchsvolle Bauteile montagebereit vorgefertigt werden können. Unsere Anlagen schaffen Träger von bis zu 50 m Länge und Elemente von 4,5 x 18 m unter Einhaltung minimaler Toleranzen. Ein wichtiger Fortschritt war auch die Festigkeitsbestimmung per Laser, die eine zuverlässige Sortierung nach Klassen ermöglicht. Die Bauteile sind heute sowohl für die Statik als auch den Brandschutz sehr gut berechenbar – und nahezu formaldehydfrei verleimt.
Rolf Mauer: Welche Rolle spielt das Unternehmensdach, die Rubner Gruppe mit Sitz in Kiens, Südtirol?
Helmut Hödl: Das ist eine einzigartige Konstellation in der Branche: Zur familiengeführten Rubner Gruppe gehören insgesamt etwa 1.500 Mitarbeiter in den Bereichen Holzindustrie, Objektbau, Holzhausbau, Holztüren und unserer Sparte. Sie alle verbindet ein Leitbild, das wir Holzleidenschaft nennen: Wir setzen uns ein für Innovation und Höchstleistungen im ökologische Bauen mit Holz. Die Stärke des Verbunds liegt darin, dass alle Unternehmen ein hohes Maß an Erfahrung und Know-how miteinander teilen. Darüber hinaus kann Rubner den Wertschöpfungsprozess vom Rundholz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern bis zum fertigen Produkt vollständig kontrollieren. Eine solche Kompetenz bündelt kaum ein anderes Unternehmen in Europa.
Rolf Mauer: Wie sehen Produktportfolio und Leistungsprofil von Rubner Holzbau aus?
Helmut Hödl: Wir bieten natürlich Brettschichtholz definierter Festigkeitsklasse in Standardausführung oder als Sonderbauteile mit komplexen Strukturen, weit spannende Dachelemente, geschosshohe und geschossübergreifende Wand- und Fassadenelemente, formstabile Elemente aus Brettsperrholz, Pfosten-Riegel-Fassaden aus Holz und Glas sowie komplett funktionsfähige Gebäudehüllen. Aufgrund der Möglichkeiten unseres Geschäftsfeldes Holzindustrie können wir bereits sehr früh unser Rubner gruppenweites Produktwissen in die Lösung und Organisation von Projekten einfließen lassen. Auf Wunsch – und viele Bauherren schätzen das – übernehmen wir die komplette Abwicklung von der Projektierung, statischen Berechnung, Fertigung, dem Transport und der Baustellenlogistik bis hin zur Montage und sogar zur Objektwartung. In Verbindung mit dem enorm hohen Vorfertigungsgrad und klar definierten Ablaufprozessen lassen sich so komplexe Bauvorhaben in kurzer Zeit und vor allem auch sicher realisieren. Außer Gebäuden errichten wir beispielsweise auch Brücken und Türme wie den gerade mit dem Holzbaupreis ausgezeichneten Aussichtsturm am Pyramidenkogel – der höchste überwiegend aus Holz konstruierte und öffentlich zugängliche Aussichtsturm der Welt.
Rolf Mauer: Wie ist das Unternehmen strukturiert?
Helmut Hödl: Rubner Holzbau verfügt über drei leistungsfähige Produktionsstandorte. Die Werke sind im österreichischen Ober-Grafendorf sowie in Brixen und Calitri in Italien ansässig und setzen moderne Spitzentechnologie ein. Insgesamt sind mehr als 500 Mitarbeiter bei uns tätig, davon rund 60 Konstrukteure und Tragwerksplaner. Der Vertrieb konzentriert sich auf den europäischen Markt. Pro Jahr produzieren wir etwa 85.000 m³ Brettschichtholz und 300.000 m² Dach- und Wandelemente – das Holz dafür ist zertifiziert nach PEFC oder FSC. Durch die Vernetzung innerhalb der weiteren Geschäftsfelder der Rubner Gruppe ergibt sich die Möglichkeit einer durchgehenden Wertschöpfungskette vom Sägewerk bis zum fertigen Projekt.
Rolf Mauer: Woran wird bei Rubner Holzbau aktuell geforscht?
Helmut Hödl: Aktuell setzen sich unsere Techniker, die zweimal pro Jahr ein Arbeitstreffen abhalten, mit dem Brandverhalten metallischer Verbindungsmittel und der Frage auseinander, wie man diese schützen kann. Ein weiterer Punkt ist die Scheibenwirkung von Dachelementen, um große Hallen in horizontaler Ebene aussteifungsfrei ausführen zu können. Parallel entwickeln wir gerade standardisierte Detaillösungen für den mehrgeschossigen Holzbau.
Rolf Mauer: Wo sehen Sie aktuell Potenziale für den Ingenieurholzbau?
Helmut Hödl: Pfosten-Riegel-Fassaden, wie wir sie etwa in Holz und Glas erstellen, bieten besonders vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten für die Architektur von mehrgeschossigen Büro- und Wohngebäuden. Spannend ist dabei die Verbindung von ästhetischem Anspruch und Fassadenfunktionen wie dem Wärme- und Schallschutz, aber auch die Integration von Fotovoltaik, Lüftung, Rauchabzug oder Steuerungen für die automatische Verschattung und Belichtung. Solche technisch und konstruktiv hoch entwickelten Komplettlösungen sind ein interessantes Geschäftsfeld, das in Zukunft für Rubner Holzbau eine große Rolle spielen wird.