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BA-Thesis über den erfolgreichen Einsatz der elektronischen Vergabe in der deutschen Bauindustrie

Mit dem Ziel, die elektronische Vergabe in der Bauwirtschaft zu etablieren, haben Studierende der Fachhochschule Regensburg die e-Vergabe-Plattform eines süddeutschen Softwarehauses im Rahmen ihrer Bachelorarbeit umfassend untersucht. Mit ihrer Thesis im Rahmen einer Bachelorarbeit haben die Studierenden die spezifischen Voraussetzungen für den Einsatz der e-Vergabe in der Bauindustrie definiert, sodass auch Generalunternehmen von der elektronischen Vergabe über die Plattform profitieren können.

 

E-Business als Chance für die Bauindustrie.
Einkaufen über das World Wide Web: vollelektronische Prozesse dominieren den Consumerbereich in Deutschland. 96 Prozent der Deutschen, die das Internet regelmäßig nutzen – so eine aktuelle Studie des (N)ONLINER Atlas 2012 – haben privat schon einmal in einem Onlineshop eingekauft. Trotzdem erreichte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr nach Angaben des Monitoring Report Deutschland Digital 2011 im weltweiten Länderranking nur Rang 6 der IKT-Standorte. So verzeichnete die Studie etwa bei Einkäufen von Unternehmen über das Internet einen drastischen Rückgang im Vergleich zu vorausgegangenen Erhebungen. Schlusslicht aller untersuchten Branchen bildet nach Untersuchungen des Branchenverbandes BITKOM die Baubranche. Im Baugewerbe haben im vergangenen Jahr lediglich 28 Prozent das Internet für ihre tägliche Arbeit genutzt. Dabei sind die Potenziale innerhalb der Bauindustrie enorm. Die Branche ist geprägt von multidimensionalen, komplexen Prozessen. Nach Schätzungen von Kennern der deutschen Baubranche kalkuliert ein Bauunternehmen durchschnittlich 10 bis 15 oder mehr Projekte und gibt hierfür genauso viele Angebote ab, bis es einen einzigen Auftrag tatsächlich erhält. Der Blick in die Glaskugel Angebotskalkulation als solches erfordert ein sehr genaues Arbeiten. Vor allem Generalunternehmer (GU) und -übernehmer sind in dieser kurzen Projektphase einer enormen Informations- und Datenflut ausgeliefert. Sie werden mit Informationen und Daten durch den Bauherrn und die Nachunternehmer regelrecht bombardiert. Für das Bombardement durch Nachunternehmer ist der GU selbst verantwortlich. Da Nachunternehmerpreise beispielweise nach Saison und Witterung oder dem Auslastungsgrad der Unternehmen im Laufe eines Jahres durch enorme Preisdifferenzen geprägt sind und somit für die Projekte immer wieder neue Angebotsanfragen bei Nachunternehmern notwendig sind. Bereits kleinere und mittelständische Unternehmen kommen, so die derzeitigen Prognosen, jährlich auf rund 100.000 Preis- und Angebotsanfragen. Bei einem Bauvolumen innerhalb der Bundesrepublik, das aktuell bei rund 250 Milliarden Euro liegt, errechnet sich eine signifikant höhere Stückzahl als innerhalb der Konsumgüterindustrie, also bei amazon, Zalando und Co. Es stellt sich die Frage, weshalb insbesondere diese Branche nicht stärker auf E-Commerce setzt.

Informationsaustausch aktuell noch vordergründig per Post
Eine Berlecon-Research-Studie fand heraus, dass sämtliche, im Jahr 2010 eingesetzte E-Business-Lösungen, sowohl bei Großkonzernen als auch im KMU-Bereich, reine Insellösungen waren. Von einer bereichsübergreifenden Automatisierung der Prozesse waren die Unternehmen allesamt weit entfernt. Dieses Ergebnis deckt sich mit den aktuellen Erhebungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Geschäftliche Dokumente, seien es Lieferscheine, Bestellungen oder Rechnungen, werden heutzutage noch oft in Papierform ausgetauscht, wie in der Broschüre »e-facts« vom Februar 2012 zu lesen war.

Fakten, wie wir sie auch in der Baubranche vorfinden. Rund die Hälfte aller Angebotseinholungen und –abgaben erfolgen in Papierform, hauptsächlich auf dem Postweg oder per Fax. Da Bauunternehmen gewöhnlich als Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen agieren, fragen sie innerhalb der Kalkulationsphase Preise bei mehreren tausend Nachunternehmern an. Dies ist nicht nur bei großen Baukonzernen der Fall, sondern ebenso im deutschen Mittelstand. Über den Gesamtprozess hinweg muss dabei jeder einzelne Vorgang zugeordnet, geprüft, erfasst und oft korrigiert werden. Erfolgt dieser auf dem Postweg, liegen die Kosten anhand von Erfahrungswerten von Branchenexperten durchschnittlich bei rund 100 Euro pro Vorgang. Nicht zu vergessen: In Bauunternehmen bearbeiten gewöhnlich verschiedene Unternehmensbereiche Nachunternehmerleistungen innerhalb unterschiedlicher Projektphasen. Erfolgt der Nachunternehmerprozess konventionell, per Post, Fax oder auch via E-Mail, können Übertragungsfehler bei der manuellen Erfassung nicht ausgeschlossen werden.

Wichtige Aspekte: Standards und Sicherheit
Es stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen für den optimalen Einsatz einer E-Business-Lösung in einem Unternehmen. Berlecon Research beantwortet diese anhand der Erhebungen aus dem Jahr 2010 mit dem Einsatz von Standards, die die Analysten auch als Türöffner in die Cloud- und SaaS-Welt ermittelten. Im Gegensatz zu anderen Sektoren sind derartige Standards innerhalb der deutschen Baubranche mit GAEB* und DA 83** bzw. 84** gegeben.

Auch unsere europäischen Nachbarländer haben ähnliche Standardisierungen. Standardisierung allein kann also nicht die Lösung sein, um einen erfolgreichen digitalen Nachunternehmerprozess in der Bauindustrie zu etablieren.

Ein wichtiger Aspekt ist auch hier die Sicherheit. Im Consumerbereich konnte sich beispielsweise der Bezahldienst PayPal durchsetzen, der über eine vielfältige, komplexe Verschlüsselungstechnik gegen Missbrauch schützen und Datensicherheit beim Bezahlen im Internet gewährleisten soll. So existierte bis dato keine spezielle Plattform für E-Commerce in der Baubranche, die einen vergleichbaren Sicherheitsaspekt mittels umfassender Prüfung der Daten über alle Projektschritte hinweg möglich macht.

Digitaler Ausschreibungsprozess
Mit dem Ziel, die elektronische Vergabe in der Bauwirtschaft zu etablieren, haben Studierende der Fachhochschule Regensburg die e-Vergabe-Plattform der RIB Software AG im Rahmen ihrer Bachelorarbeit umfassend untersucht und diese im März 2012 fertiggestellt. Die Absolventinnen wurden dabei von dem deutschen TOP-5-Bauunternehmen Max Bögl betreut, das zu den langjährigen Entwicklungspartnern der RIB Software AG zählt. Mit dieser Thesis haben die Studierenden die spezifischen Voraussetzungen für den Einsatz der e-Vergabe in der Bauindustrie definiert, sodass auch Generalunternehmen von der elektronischen Vergabe über die Plattform profitieren können.

Wie die beiden Unternehmen Max Bögl und RIB Software verlautet haben, soll auf Basis dieser Erkenntnisse eine umfassende Prozessoptimierung innerhalb der Bauindustrie möglich sein. Bauunternehmen können, so die Partner, von einer enormen Zeit- und Kostenersparnis profitieren. Der Ausschreibungsprozess für Nachunternehmerleistungen soll mit Hilfe einer Onlineplattform bzw. auch über eine spezielle Schnittstelle direkt aus der BIM-5D-Software iTWO von RIB digital generiert werden. Übertragungsfehler durch manuelle Erfassung können somit ausgeschlossen werden, da alle Daten bereits digital vorliegen. Der GU kann sich auf Informations-, Datenweitergabe und Wertung der Bieter und Bieterangebote konzentrieren.

E-Commerce bei Handwerksbetrieben
Ein wichtiger Faktor für die Bauindustrie ist sicherlich auch die Anzahl der Betriebe, die auf einer e-Vergabe-Plattform registriert und somit in der Lage sind, Angebote digital abzugeben. So hat das Land Bayern, das Bieterunternehmen bereits seit mehreren Jahren die Möglichkeit offeriert, Ausschreibungsunterlagen elektronisch via WWW herunterzuladen, kürzlich ermittelt, wie viele Handwerker im gesamten Bundesland über einen Internetanschluss verfügen und diesen für die tägliche Arbeit nutzen. Das Ergebnis: Es sind über 95 Prozent der Handwerksbetriebe. Nicht weiter verwunderlich, denn schließlich gehört Online-Banking heutzutage bei diesen Betrieben zum Tagesgeschäft – so ist auch die Quote beim Download elektronisch bereitgestellter Ausschreibungsunterlagen sehr hoch. Und mehr als 90 Prozent dieser Bieterunternehmen gehören zum relevanten Marktumfeld für das Neumarkter Bauunternehmen Max Bögl. Einem baldigen durchgängigen Einsatz der elektronischen Vergabe beim größten deutschen Bauunternehmen in privater Hand sollte somit nichts im Wege stehen. Die Weichen dafür sind gestellt.

*GAEB steht für Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen. Der GAEB fördert den Einsatz der Datenverarbeitung im Bauwesen unter Berücksichtigung der gemeinsamen Sprache aller am Bau Beteiligten.
** In der deutschen Baubranche werden Angebote gewöhnlich in der Datenart 83 (DA 83) angefordert/ ausgeschrieben und in der Datenart 84 (DA 84) verpreist/ abgegeben

Weitere Informationen unter www.gaeb.de

BA-Thesis über den erfolgreichen Einsatz der elektronischen Vergabe in der deutschen Bauindustrie - Studierende der Fachhochschule Regensburg evaluieren Kriterien für eine umfassende Prozessoptimierung