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Brandschutz: Es geht nicht ohne staatliche Verantwortung

Im Rahmen der Deregulierung von Bauverfahren geht der Trend auch im Brandschutz zu neuen Verfahrensformen anstelle der durch einen umfassenden Prüfungsumfang gekennzeichneten Genehmigungsverfahren. Rechtsanwalt Dr. Till Fischer erläutert, inwiefern es sinnvoll ist, wenn sich der Staat auf diese Weise aus dem Brandschutz.

Im Rahmen der Deregulierung von Bauverfahren geht der Trend auch im Brandschutz zu neuen Verfahrensformen anstelle der durch einen umfassenden Prüfungsumfang gekennzeichneten Genehmigungsverfahren. Rechtsanwalt Dr. Till Fischer erläutert, inwiefern es sinnvoll ist, wenn sich der Staat auf diese Weise aus dem Brandschutz zurückzieht und beantwortet drei Fragen:

Kann man sagen, dass die Verantwortung für einen ausreichenden Brandschutz immer stärker der Bauherrenseite aufgebürdet wird?

Kurz gesagt: de facto ja, de jure nein. Während klassischerweise die Bauaufsichtsbehörde ein Bauvorhaben auf seine Zulässigkeit überprüft hat, gibt es jetzt für eine Reihe von Bauvorhaben neue Verfahrensformen, die eine behördliche Überprüfung beschränken oder gar völlig ausschließen.
Nach neueren Modellen verpflichtet das Landesgesetz den Betreiber, sich selbst einen Vertragspartner, also einen Sachverständigen, für die Überprüfung zu suchen. Der Bauherr bzw. der von ihm beauftragte Architekt war aber schon immer dafür verantwortlich, dass die brandschutzrechtlichen Vorschriften und anerkannten Regeln der Technik beachtet werden. Wenn die Bauaufsichtsbehörde z. B. fälschlicherweise eine Genehmigung erteilt hatte, trug trotzdem der Bauherr und in Delegation der Architekt oder Fachplaner für das mangelhafte Werk gleichfalls die Verantwortung – daran hat sich nichts geändert. De facto allerdings ist ein Wegfall der staatlichen Bauaufsicht mit einer immensen Ausweitung gefühlter Verantwortung verbunden. Wenn die Behörden sich aus der Überprüfung zurückziehen, fehlt dem Bauherrn bzw. seinem beauftragten Planer die bisher durch Genehmigung oder Versagung gegebene Rückkopplung – daraus resultiert natürlich eine gewisse Rechtsunsicherheit.

Wie wirken sich die Veränderungen bei den Genehmigungsverfahren auf die Entscheidungsfindung der Gerichte aus?

Direkte Auswirkungen auf die Art, wie Gerichte entscheiden, bestehen nicht. Diese orientieren sich im Einzelfall an der Bewertung von im Rahmen der Beweiserhebung beauftragten Gerichtssachverständigen, welche die notwendigen Spezialkenntnisse besitzen. Indem allerdings die Vorgabe von Schutzzielen in den Vordergrund tritt, werden diesen Sachverständigen – und somit auch dem gerichtlichen Verfahren – niedergeschriebene Kriterienkataloge als Grundlage für Entscheidungen genommen. Indem man der grundsätzlich zu begrüßenden Tendenz folgt, dem Einzelnen die Lösung einer Aufgabe – in diesem Fall des Brandschutzes – zu überlassen, erschwert man somit in gewisser Weise auch die Rechtsfindung vor Gericht. Es bedarf einer besonders sorgfältigen Betrachtung des Einzelfalls. Nebenbei bemerkt geht unser heutiges Baurecht ursprünglich sogar vom Brandschutzrecht aus, aber gerade diesen älteren Bereich betreffend, fangen wir eben erst an, uns über die grundsätzlichen Gegebenheiten – wie zum Beispiel bei der Definition von Schutzzielen – Gedanken zu machen. Beim Brandschutz- und Sicherheitsrecht handelt es sich um eines der schwierigsten Rechtsgebiete – eine gefestigte Rechtsprechung ist für diesen Bereich in keiner Weise erkennbar.

Ist es sinnvoll, dass die Behörden sich immer stärker aus den Prüfverfahren zurückziehen?

Den Behörden fehlen zunehmend die Ressourcen und in schwierigen Einzelfällen manchmal auch die Kompetenzen, um die Vielzahl insbesondere komplexer Bauvorhaben zu beurteilen. Auch wenn die Behörden anerkanntermaßen über ausreichende Grundkompetenz verfügen, ist das Hinzuziehen externen Sachverstands in Form der vom Bauherrn beauftragten Experten notwendig und gut. Gerade bei gefahrenträchtigen Projekten hoher Komplexität müssen solche Experten hinzugezogen werden. Darüber hinaus eröffnet die Liberalisierung des Brandschutzrechts dem Bauherrn ja auch viele Freiheiten, wenn es beispielsweise darum geht, bei der Erstellung des Brandschutzkonzepts bzw. dessen Umsetzung Ingenieurmethoden einzusetzen. Die Tendenz weg von der abstrakten Regelung hin zur Einzelfallbetrachtung macht manche Lösung insbesondere für das Bauen im Bestand erst möglich. Wer viele Freiheiten hat, muss aber auch seine Kompetenzen richtig einschätzen. Er übernimmt damit gleichzeitig hierfür die Verantwortung. In jedem Fall muss der Staat bei der Gefahrenabwehr die letzte Kontrollfunktion behalten – dieses besondere hoheitliche Gut darf und wird nicht völlig privatisiert werden. Es geht vielleicht ohne staatliche Verwaltung, aber es geht in keinem Fall ohne staatliche Verantwortung. {jathumbnail off images=”im-bilder/im2012/1212/rechtsanwalt-till-fischer.jpg”}

Zur Person

Rechtsanwalt Dr. Till Fischer ist Dozent für Brandschutzrecht bei EIPOS (TU Dresden), an der Hochschule Darmstadt, der Hessischen Ingenieurakademie, der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen sowie der Landesfeuerwehrschule Hessen; darüber hinaus Dozent für Denkmalschutzrecht an der Denkmalakademie Dresden/Görlitz. Der Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum öffentlichen und privaten Baurecht sowie zum Brandschutz und Denkmalschutzrecht gehört als Rechtsanwalt der Kanzlei Staudt, Dr. Fischer & Kollegen in Weinheim und Eschelbronn an.

 

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von www.hekatron.de